Test J/9: Daysailer für die kleinen Fluchten (2024)

In diesem Artikel:

  • Technische Daten J/9
  • YACHT-Bewertung J/9
  • Das sind Daysailer der Konkurrenz

Der Reiz liegt im schlichten, unkomplizierten Segelvergnügen. Einfach nach Lust und Laune, auch mal kurzfristig, wenn die Bedingungen stimmen, ohne Ansage nach Feierabend oder am Wochenende. Nur Segel hochziehen, rausfahren und Spaß haben, Erholung finden und zurück in den Hafen – fertig! Das ist Daysailing par excellence, ein Wassersportvergnügen, das weder auf besondere Sportlichkeit ausgerichtet ist, noch allzu hohe Ansprüche an den Wohnkomfort stellt. Es ist der reine Lustgewinn, definiert durch die bloße Fortbewegung und den Zeitvertreib auf dem Wasser.

Die eingängigen Konzepte, die hübschen Konstruktionen sowie die hohe Funktionalität bei gleichzeitig möglichst einfachem Handling zeichnen moderne Daysailer und Weekender aus. Mit wenig Freibord, kurz gehaltenen Aufbauten und dafür umso größeren co*ckpits distanzieren sie sich schon rein optisch von den auf maximales Wohnvolumen ausgerichteten Fahrtenbooten. Die Schiffe sind meist von besonders schmucker Anmutung, ihre Rümpfe oft kurz und tendenziell rank.

Trotz der Attraktivität und der dementsprechend hohen Nachfrage ist der Markt für Daysailer in Europa durchaus überschaubar. Häufig genannt werden Marken wie Saffier, Tofinou, Brenta oder Black Pepper, unter anderem. Drüben in Amerika hat das Thema einen höheren Stellenwert, speziell an der US-Ostküste, wo viele kleinere Yachtbau-Manufakturen das Marktsegment zusätzlich bereichern und die Angebote noch weiter auffächern.

Hohe Importkosten machen es der J/9 in Europa schwer

Eine ganz typische Vertreterin der Gattung wird jetzt wieder von J/Boats in Newport angeboten. Der traditionsreiche Familienbetrieb im kleinen US-Bundesstaat Rhode Island unterhält ein breites Programm von Daysailern, Sportbooten sowie Performance-Cruisern und zeigt mit einem Tochterunternehmen in Frankreich auch in Europa Marktpräsenz. Ihre J/9 kommt als eine späte Nachfolgerin der legendären J/100, welche für die Werft ab 2006 zu einem bedeutenden Bestseller für die Marke geworden ist, auch in Europa. Die J/9 übernimmt im Wesentlichen das simple Daysailing-Konzept ihrer populären Vorgängerin, ist aber rund 1,5 Meter kürzer und entsprechend weniger breit.

Verlagssonderveröffentlichung

Das neue Schiff wird allerdings vorerst ausschließlich bei J/Boats in den USA gebaut, was den Vertrieb auf dem hiesigen Markt mit happigen Importkosten erschwert. Marken- und Werftchef Jeff Johnstone zieht deshalb und aufgrund der bereits hohen Nachfrage in Erwägung, die Herstellung des Bootes jetzt zusätzlich an die Lizenzproduktion von J Composites in Les Sables-d’Olonne an der französischen Westküste zu vergeben.

In Europa ist die erste J/9 aus der amerikanischen Fertigung im Herbst an den Vertriebspartner Dyna Sport Boats in der Schweiz ausgeliefert worden. Für die YACHT Gelegenheit für einen exklusiven Testtermin. Allerdings steht diese Prüfung unter keinem guten Stern, was die Windbedingungen angeht. Am malerischen Zuger See bleibt der Wind bei ungetrübtem Sonnenschein und Hochdrucklage den ganzen Tag fast komplett aus. Nur für einen kurzen Zeitraum lässt eine schwache Thermik mit maximal fünf Knoten Stärke ein paar Schläge in Landnähe zu. Für eine wirklich aussagekräftige Beurteilung der Segeleigenschaften reichen die Verhältnisse leider nicht aus. Und weil das Boot gleich im Anschluss an den Testtermin wieder aus dem Wasser und ins Winterlager muss, ist leider auch die Möglichkeit für einen Nachtest zunächst nicht gegeben.

J ist bekannt für gute Segeleigenschaften

So viel lässt sich dennoch festhalten: Schon bei einem Hauch von Wind beschleunigt die vergleichsweise leicht gebaute J/9 gut und spürbar schnell. Sie reagiert sehr agil und unmittelbar auf die Steuerimpulse mit der Pinne. Mit halbem Wind und Gennaker klettert die Logge zwischendurch schon mal über vier Knoten Speed. Allerdings sind die wenigen Leistungswerte angesichts der äußerst schwierigen Bedingungen nur mit Vorsicht zu genießen.

Für eine stimmige Performance auch bei mehr Wind bürgt die Konstruktion von Alan Johnstone, der seit Langem mit viel Erfahrung die schnellen und erfolgreichen Risse aller Schiffe von J/Boats entwirft. Man darf davon ausgehen, dass er auch mit seinem jüngsten Wurf nicht danebenliegt und die Segeleigenschaften bei Wind so gut sind, wie man dies von allen Booten der Marke J kennt.

Markentypisch ist der Aluminium-Mast von Sparcraft mit einem Paar Salinge durchgesteckt und steht auf dem Kiel, allerdings in dem Fall ungewöhnlich weit vorn im Boot. Das J-Maß beträgt nur gerade 3,05 Meter bei einer Rumpflänge von 8,53 Metern. Dies hat einen guten Grund: Die J/9 soll nämlich nur mit Großsegel fast ebenso gute und ausgewogene Eigenschaften am Wind zeigen wie mit dem ausgerollten Vorsegel. Videos und Testberichte aus den USA bestätigen die sehr gute Funktionsweise mit reduziertem Segelplan. Das freut Einhandsegler, denen das ohnehin schon denkbar einfache Handling damit noch zusätzlich erleichtert wird, vor allem bei viel Wind.

Im Standard wird die J/9 mit einer Selbstwendeschiene für eine Fock ausgestattet. Als leistungsstärkere Alternative können Kunden gegen Aufpreis eine kurz überlappende Genua mit verstellbaren Holepunkten auf dem Kajütaufbau bestellen. Der aus Kohlefaser gefertigte Bugspriet ist fest angebaut, wird aber ebenfalls nur als Extra und im Paket mit zusätzlichen Segeln wie Gennaker oder Code Zero angeboten.

Die Ausstattung an Deck ist überschaubar und auf das Wesentliche reduziert. „Keep it simple“, so lautet das bewährte Credo von J/Boats auch für das Layout an Deck der J/9. Vielmehr setzt die Werft auf Qualität und baut ausschließlich Teile namhafter Hersteller in vernünftiger Größe an. Harken liefert alle Beschläge sowie die Winschen für die Fallen und für die Genuaschot auf dem Dach.

Kleine Badeplattform als Besonderheit der J/9

Zum Thema Daysailing gehört ebenso ein vergleichsweise großes co*ckpit mit reichlich Platz zum Genießen und Entspannen. Bei der J/9 sind Duchten stattliche 2,50 Meter lang. Darauf können im Hafen oder in der Bucht bis zu acht Personen recht komfortabel sitzen. Auch bieten sich die Bänke als Liegen zum Sonnenbaden an. Der Raum unterhalb der Duchten ist beidseitig zum Stauen von großen und kleinen Dingen vorgesehen. Platz ist im Überfluss vorhanden, selbst für sperrige Sachen wie zusätzliche Segel. Leider haben die Backskisten jeweils nur einen Deckel, und es gibt innen keine Abtrennungen. So ist Staugut, das nach hinten durchrutscht, nur noch schwer greifbar.

Als konstruktive Besonderheit ist achtern eine kleine Badeplattform vom co*ckpit abgesondert. Eine Badeleiter dafür gibt es aber ebenfalls nur als Option. Für den Zugang zum Heck kann die einfache Dyneema-Hahnepot für die Führung der Großschot leicht entfernt und der Baum somit seitlich weggebunden werden. Zum Ein- und Aussteigen über das Heck ist aber die geteilte Achterstagsverstellung mit mehrfacher Untersetzung hinderlich.

Als reiner Daysailer kommt dem Innenraum eine nur untergeordnete Bedeutung zu. Dennoch verfügt das Boot unten über einen zwar sehr einfachen und nüchternen, aber gleichwohl funktionalen und durchaus bewohnbaren Ausbau. Die Kojen im Vorschiff und seitlich im Salon bieten für zwei bis maximal drei Personen ausreichend komfortable Schlafgelegenheiten. Für einen Ausflug am Wochenende reicht das Wohnangebot allemal.

WC mitten im Raum bietet kaum Privatsphäre

Eine Kochgelegenheit als Pantryblock gibt es auch als Option nicht. Dafür wird die J/9 schon ab Werft mit einer Kühlbox ausgestattet, was keinen Zweifel an der Herkunft des Bootes hinterlässt. Dafür baut die Werft standardmäßig ein WC mit Fäkalspeicher im Schiff ein. Die Toilette steht vor dem Niedergang allerdings komplett frei, ohne räumliche Abtrennung zur Doppelkoje im Vorschiff. Das kann auf der Tour unangenehm sein. Für bescheidene Privatsphäre zum Salon sorgt ein leichter Vorhang. Fraglich bleibt, ob ein portables Chemie-Klo nicht die einfachere, günstigere und praxisgerechtere Lösung wäre.

Stauräume sind unter Deck reichlich vorhanden. Schwalbennester, Schapps, Kästen und offene Ablagen sorgen für Ordnung. Auch unter den Kojen im Vorschiff und im Salon sind weitere, geräumige Staufächer gut zu erreichen. Lob gibt es ebenso für perfekte Lüftungsmöglichkeiten. Alle Fenster im Aufbau können geöffnet werden, und zusammen mit der großen Decksluke im Vorschiff ist die Ventilation perfekt.

Akzeptabler Grundpreis wird durch Ausstattung und Import in die Höhe getrieben

Die von den Händlern in Europa kommunizierten Preise orientieren sich an der aktuellen Liste für den amerikanischen Markt. Dort kostet das Schiff in der relativ einfachen Basisausstattung derzeit 123.000 US-Dollar. Nach gegenwärtigem Umrechnungskurs beträgt der Basispreis in Europa 115.890 Euro netto oder 137.910 Euro inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer. Im Vergleich mit der Konkurrenz ist dieser Grundpreis noch konkurrenzfähig. Allerdings sind in der Standard-Spezifikation weder die Segel noch eine Motorisierung eingeschlossen. Segelfertig ausgestattet, inklusive Einbaumaschine von Yanmar oder Elektro-Antrieb von Torqeedo, werden für die J/9 über 180.000 Euro fällig. Das ist viel Geld für ein Boot dieser Größe und Ausrichtung.

Zudem bleiben die Kosten für den Transport von der Werft in Amerika nach Europa am Käufer hängen. Dafür muss er dann nochmals wenigstens 10.000 Euro ausgeben, je nach Angebot. Die J/9 kann dabei aber von ihren Abmessungen profitieren. Das kleine und schlanke Schiff passt nämlich geschmeidig in einen 40-Fuß-Container, inklusive des Riggs. So bleiben die Kosten für die Überführung insgesamt noch im Rahmen.

Das attraktive und vielseitige Daysailing-Konzept der J/9 hat eine Menge Potenzial, auch auf dem europäischen Markt erfolgreich zu sein. Aber wohl nur, wenn das Schiff demnächst auch bei J Composites in Frankreich gebaut werden sollte. In dem Fall könnten die Gesamtkosten insgesamt wettbewerbsfähiger sein. Für Interessenten hierzulande wäre dies eine sehr begrüßenswerte Entwicklung. Und das gelungene Boot hat bessere Chancen am Markt verdient.

Technische Daten J/9

Test J/9: Daysailer für die kleinen Fluchten (7)Foto: YACHTGemäßigte Power: Das Rigg ist nicht sehr hoch. Die Selbstwendefock ist der Standard, eine Genua gibt es als Option

  • CE-Entwurfskategorie: B
  • Rumpflänge: 8,53 m
  • Gesamtlänge (m. Bugspriet): 9,15 m
  • Wasserlinienlänge: 7,74 m
  • Breite: 2,61 m
  • Tiefgang/alternativ: 1,49/1,18 m
  • Masthöhe über Wasserlinie: 12,68 m
  • Theoretische Rumpfgeschwindigkeit: 6,7 kn
  • Gewicht: 1,93 t
  • Ballast/-anteil: 907 kg/47 %
  • Großsegel: 25,4 m²
  • Genua (106 %): 15,9 m²
  • Maschine (Yanmar): 10 kW/15 PS
  • Kraftstofftank (PVC): 45 l
  • Frischwassertank (Sack): 25 l
  • Fäkalientank: 50 l

Segelleistungen

Test J/9: Daysailer für die kleinen Fluchten (8)

ohne Abdrift/Strom; Windgeschwindigkeit: 4 bis 5 kn (2 Bft), Wellenhöhe: glattes Wasser (* mit Gennaker)

Potenzial STZ

Test J/9: Daysailer für die kleinen Fluchten (9)

Das Schiff ist im Vergleich leicht bei nur mäßig viel Segelfläche. Die Segeltragezahl ist relativ hoch

Rumpf- u. Decks­bauweise

GFK-Sandwich-Konstruktion mit E-Glass und Schaumkern. Bleikiel angebolzt und verklebt. Bodengruppe anlaminiert

Rigg und Segel

Aluminium-Rigg von Sparcraft mit einer Saling-Spreize. Der Mast ist im Standard weiß pulverbeschichtet. Wanten und Vorstag aus 1x19-Draht. Achterstag aus Dyneema

Maschine und Antrieb

Standard-Ausstattung ab Werft ohne Maschine. Die J/9 kann optional mit einem Dieselmotor (Yanmar 2YM15) mit Saildrive (Aufpreis 22.490 Euro) oder alternativ mit einem Elektromotor (Torqeedo Pod Drive, Aufpreis 21.980 Euro) ausgerüstet werden. Das Boot lässt sich auch mit einem Außenbordmotor antreiben

Innenraum

Der Ausbau unter Deck reicht fürs Wochenende. Drei Personen können übernachten. Die Kojen sind dafür lang und breit genug. Achtern vom Hauptschott bleibt das Schiff leer

Ausstattung und Preise J/9

YACHT-Bewertung J/9

Attraktiver Daysailer/Weekender aus den USA mit einem äußerst unkomplizierten Konzept. Der Innenausbau ist einfach, aber dennoch wohnlich. Ernüchternd ist der hohe Preis für das segelfertige Schiff

Konstruktion und Konzept

Klare Ausrichtung als Daysailer

Sehr gefällige Optik

Hohe Anschaffungskosten

Segelleistung und Trimm

Hohes Leistungspotenzial

Segeln nur mit Groß möglich

Einhandtaugliches Handling

Wohnen und Ausbauqualität

Funktionale Einrichtung

Innen angenehm hell

Funktion WC fragwürdig

Ausrüstung und Technik

Hochwertige Decksausstattung

Wählbare Motorisierung

Keine variablen Tiefgänge

Das sind Daysailer der Konkurrenz

Domani S30 Club

Test J/9: Daysailer für die kleinen Fluchten (10)Foto: EYOTY/B. Kolthof

Attraktiver Weekender aus Belgien mit vielen optischen und konzeptionellen Alleinstellungsmerkmalen. Im Test zeigte das Boot sehr gute, sportliche Segeleigenschaften. Innen einfach und schlicht. Rumpflänge 8,40 m; Breite 2,46 m; Gewicht 1,85 t; ab 133.875 Euro

YACHT-Test: Heft 3/2018

Pointer 30

Test J/9: Daysailer für die kleinen Fluchten (11)Foto: Werft

Die Neuerscheinung aus Holland wurde jetzt auf der Messe boot in Düsseldorf vorgestellt. Die Pointer 30 ist ein echtes Multitalent und eignet sich als einfacher Weekender genauso gut wie als Sportboot. Rumpflänge 9,20 m; Breite 2,90 m; Gewicht 2,4 t; ab 132.670 Euro

YACHT-Vorstellung

Saffier Se 27 Leisure

Test J/9: Daysailer für die kleinen Fluchten (12)Foto: YACHT/B. Kolthof

Handlich, unkompliziert und schnell. Die Saffier aus Holland ist eine Art Roadster auf dem Wasser. Der Ausbau unter Deck ist reduziert, genügt aber bescheidenen Ansprüchen für das Wochenende. Rumpflänge 8,10 m; Breite 2,55 m; Gewicht 1,9 t; ab 112.455 Euro

YACHT-Test: Heft 10/2020

Sunbeam 28.1

Test J/9: Daysailer für die kleinen Fluchten (13)Foto: YACHT/N. Krauss

Hübscher Weekender aus Österreich für schöne und sportliche Stunden auf dem Wasser mit kleiner Crew. Unter Deck ist das Boot wohnlich ausgebaut, mit einem abgetrennten Toilettenraum. Rumpflänge 8,50 m; Breite 2,49 m; Gewicht 2,3 t; ab 130.780 Euro

YACHT-Test: Heft 12/2013

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